Pressemitteilungen vom 29.08.2023

„UNWIRTSCHAFTLICHE HAUSHALTSFÜHRUNG“ VERSCHLEIERT DIE WAHREN URSACHEN FÜR ÜBERSCHULDUNG

In ihrer Antwort auf eine aktuelle Anfrage der Linksfraktion im Landtag hat die sächsische Sozialministerin Petra Köpping als häufigsten Grund für Überschuldung und Privatinsolvenzen in Sachsen eine sogenannte „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ der Betroffenen angegeben.
„Wenn die laufenden Kosten das dafür zu Verfügung stehende Einkommen überschreiten, muss mehr Geld ausgegeben werden, als zur Verfügung steht. Dass Sozialleistungen (Sozialhilfe/SGB II-Leistungen ehemals „Hartz IV“, Bürgergeld) nicht vor Überschuldung schützen, weil die einzelnen im Regelsatz enthaltenen Bestandteile – wie z. B. die veranschlagten Kosten für Energie, Lebensmittel oder Mobilität – in keiner Weise dem tatsächlichen Bedarf entsprechen, ist nicht neu. Es hat sich aber dramatisch weiter verschärft, was zwangsläufig zu Überschuldung führt. Und zunehmend sind auch immer mehr Menschen in Arbeit nicht mehr in der Lage,  ihre monatlichen Fixkosten zu begleichen, weil Mietpreisentwicklung, Energiepreissteigerungen und Inflation die soziale Schieflage weiter vorantreiben und die ungleiche Verteilung der Vermögen weiter zunimmt. Das hat nichts mit Überkonsum oder teuren Online-Einkäufen zu tun“, stellt Rotraud Kießling, zuständige Referentin der Diakonie Sachsen, klar.
Die von der Überschuldungsstatistik des Bundes (Destatits) verwendete Kategorie „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ ist nicht sauber definiert und fasst verschiedene statistische Angaben wie „Fehlende finanzielle Allgemeinbildung“ und „Konsumverhalten“ zusammen. Damit bildet sie fälschlicherweise die größte Summe bei den Überschuldungsgründen, nämlich 20 Prozent.  „Es ist eigentlich eine statistische Größe, die nicht zusammengehörende Lebenslagen zusammenzieht, und damit unzulässigerweise die „Schuld“ an den Schulden in die alleinige Verantwortung der Ratsuchenden schiebt“, sagt Rotraud Kießling.
Landesarbeitsgemeinschaften der freien Wohlfahrtspflege wie auch Schuldnerberatungsstellen kritisieren diese Kategorie schon seit langem, weil sie die wahren Gründe für Überschuldung durch begrenzt vorhandene Parameter verfälscht.
Die Hauptüberschuldungsgründe im Lebenslagenbericht der diakonischen Schuldnerberatungsstellen sind nach wie vor Arbeitslosigkeit, ein nicht ausreichendes Existenzminimum, Niedriglöhne, Krankheit, Sucht, Unfall, gefolgt von Trennung und Scheidung.