Eine Umfrage von Arbeiterwohlfahrt, Paritätischen Wohlfahrtsverband und Diakonie Deutschland macht Einschnitte in der sozialen Infrastruktur des Landes sichtbar. Bereits 40 Prozent der befragten Organisationen und Einrichtungen mussten Angebote aus finanziellen Gründen einschränken oder einstellen. Ein weiterer Rückbau ist absehbar, wenn die Kürzungspläne der Bundesregierung umgesetzt und Kostensteigerungen nicht abgefangen werden.
Viele soziale Angebote in ganz Deutschland drohen vollständig wegzubrechen, da gestiegene Kosten finanziell nicht ausreichend kompensiert werden können. Trotz steigender Nachfrage mussten vielerorts bereits Angebote und Hilfen eingeschränkt bzw. reduziert oder sogar ganz eingestellt werden. Darüber hinaus drohen kurzfristig weitere Kürzungen ihrer Einnahmen. Das sind die erschütternden Befunde einer bundesweiten Umfrage von Arbeiterwohlfahrt, Paritätischem Wohlfahrtsverband und der Diakonie Deutschland, an der sich mehr als 2.700 gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen aus dem gesamten Spektrum sozialer Arbeit beteiligten. Die Wohlfahrtsverbände warnen vor heftigen Einschnitten in die soziale Infrastruktur und fordern den Bund auf, von angekündigten Haushaltskürzungen Abstand zu nehmen. Was es jetzt brauche, seien zudem eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen sowie einen ambitionierten steuer- und finanzpolitischen Kurswechsel.
Auswirkungen in Sachsen ebenfalls spürbar
Die Antworten der Organisationen aus Sachsen zeigen erste Einschnitte in der sozialen Infrastruktur des Freistaates auf. So mussten bereits 30 Prozent der befragten sächsischen Organisationen und Einrichtungen seit Anfang 2022 ihre Angebote und Leistungen für Klient*innen aus finanziellen Gründen einschränken oder ganz einstellen. Rund 62 Prozent der Befragten aus Sachsen gehen davon aus, kurzfristig Angebote und Leistungen weiter reduzieren zu müssen.
Finanzielle Belastungen für soziale Einrichtungen steigen
Insgesamt verzeichnen die befragten Einrichtungen eine Kostensteigerung um durchschnittlich 16 Prozent seit Anfang 2022. Die Ergebnisse belegen, dass in der Praxis kaum ein Weg unversucht bleibt, aus eigenen Kräften die schwierige finanzielle Lage zu bewältigen. Fast jede dritte befragte Einrichtung musste zur Kompensation sogar Personal abbauen bzw. plant Entlassungen. Auch die Möglichkeit, Kostensteigerungen durch höhere Beiträge für Nutzer*innen auszugleichen, scheint weitgehend ausgereizt und führt bereits zu ersten Verwerfungen. Laut der Problemanzeigen aus der Praxis können sich viele, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind, Angebote inzwischen nicht mehr leisten, und in der Praxis komme es zu Unterversorgungslagen und neuen Ausschlüssen.
Rückbau sozialer Infrastruktur schon jetzt absehbar
Bundesweit rechnen 59 Prozent aller Befragten in den kommenden Monaten mit (weiteren) Einschnitten auf der Einnahmeseite. Im Ergebnis bedeutet das sowohl quantitative als auch qualitative Einschränkungen zu Lasten der sozialen Infrastruktur. Sollte hier nicht entschlossen gegengesteuert werden, hätte dies “enorme Konsequenzen für unser Gemeinwesen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und all jene Menschen, die in schwieriger Lebenslage auf Hilfe, Beratung, Unterstützung und einen stabilen Sozialstaat angewiesen sind”, warnen die Wohlfahrtsverbände. Langfristig würden diese Einsparungen ein Vielfaches kosten und Gesellschaft und Demokratie insgesamt schaden. „Die Menschen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, das schlägt sich heute schon eindeutig in Wahlergebnissen nieder und wird sich durch diese Maßnahmen in Zukunft noch verschärfen.“
Informationen zur Umfrage: Die teilstandardisierte Online-Umfrage fand im Zeitraum vom 29. September bis zum 10. Oktober 2023 statt. Der Rücklauf von 2772 validen Fragebögen war trotz der Kurzfristigkeit groß. Insgesamt sind in den teilnehmenden Organisationen/Einrichtungen mehr als 261.721 Menschen beschäftigt. Im Tagesdurchschnitt werden durch die befragten Organisationen/Einrichtungen insgesamt rund 377.112 Menschen beraten, betreut oder versorgt. Aus Sachsen nahmen 126 Organisationen an der Umfrage teil.