Pressemitteilungen vom 26.09.2023

SACHSENS LANDKREISE SCHLAGEN ALARM – DIAKONIE SACHSEN RUFT ZUR VERSACHLICHUNG DER AKTUELLEN DEBATTE AUF

Enge Zusammenarbeit von Freistaat, Landkreisen und freien Trägern erforderlich

In der vergangenen Woche schlugen mehrere sächsische Landkreise Alarm. Die Aufnahme junger geflüchtete Menschen sei am Limit, hieß es in mehreren öffentlichen Verlautbarungen. Die Diakonie Sachsen ist sich der schwierigen Situation in den betroffenen Kommunen bewusst, mahnt aber – auch in Anbetracht der sich zuspitzendenden gesamtpolitischen Debatte – zu einer Versachlichung.

Die Landkreise forderten unter anderem vom Freistaat Sachsen, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befristet auch in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes untergebracht werden. „Die Unterbringung von unbegleiteten, minderjährigen Ausländern ist als Aufgabe der Jugendhilfe gesetzlich geregelt. Erstaufnahmeeinrichtungen unterliegen dem Asylgesetz und erfüllen nicht die notwendigen Vorgaben. Eine Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen ist dort nicht zulässig“, erklärt Christoph Schellenberger, Referent für Kinder- und Jugendhilfe der Diakonie Sachsen.
Gleichzeitig gibt es bundes- und landesrechtlich für die Jugendhilfe eine hohe Flexibilität, was die Unterbringung der unbegleiteten minderjähren Geflüchteten betrifft. In der jetzigen Situation wäre die Duldung von Einrichtungen mit hoher Aufnahmekapazitäten möglich. Davon wurde bereits in der Vergangenheit intensiv Gebrauch gemacht. „Wir sprechen uns als Diakonie Sachsen dafür aus – analog zu den Ausnahmen für ukrainische Geflüchtete – junge Menschen befristet auch in großen Einrichtungen unterzubringen. Die bereits gültigen abgesenkten Unterbringungsstandards des Landesjugendamtes sollten auf die aktuelle Situation angewendet werden“, schlägt Schellenberger vor. Dazu gehört zum Beispiel eine altersgerechte sowie geschlechterdifferenzierte Unterbringung sowie eine geeignete Rund-um-die-Uhr-Betreuung.
Die von mehreren Landkreisen geforderte Koordinierungsstelle, um die Unterbringung junger Flüchtlinge zentral zu organisieren, gibt es bereits – das Landesjugendamt. Es ist für die Koordinierung der unbegleiteten minderjähren Ausländer in Sachsen zwischen den Jugendamtsbezirken verantwortlich. Dies ist im Landesjugendhilfegesetz geregelt. „Allerdings besteht für die von den Landkreisen geforderte zentrale Unterbringung dort keine rechtliche Zuständigkeit. Als Diakonie sprechen wir uns jedoch für eine dezentrale Unterbringung aus. Nur so können eine ärztliche Versorgung oder notwendige schulische Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden – sonst droht eine Überlastung“, gibt Schellenberger zu bedenken. Und: „Die Geflüchteten benötigen Unterkünfte in Zimmern – nicht in Hallen. Die jungen Menschen sind von ihrer Flucht geprägt und zum Teil traumatisiert. Ein achtsamer Umgang ist zwingend nötig.“

Die in Aussicht gestellten Sondervergütungen durch das Sächsische Sozialministerium begrüßt die Diakonie Sachsen. Allerdings, so gibt der Wohlfahrtsverband zu bedenken, werden sie ihre Wirkung nicht entfalten, wenn sie nur für kurzfristige, wenige Monate andauernde Bedarfslagen, ausgeschüttet werden. Dietrich Bauer, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen, schlägt deshalb vor: „Wie bei der Feuerwehr brauchen wir als Land eine Infrastruktur, die jederzeit einsatzbereit ist und die im Bedarfsfall schnell abgerufen werden kann. Insofern sollen die Sondervergütungen langfristig eingesetzt werden, um eine jederzeit aktivierbare Inobhutnahme-Infrastruktur abzusichern.“ Darüber hinaus brauche es starke aufnahmebereite Kommunen, welche über Schulen, medizinisch-therapeutische Praxen und Sportvereine verfügen.

Den Vorschlag von Sachsens Sozialministerin Petra Köpping nach einem Lenkungsausschuss, um Maßnahmen zu jugendlichen Flüchtlingen besser mit den Kommunen abzustimmen, begrüßt die Diakonie Sachsen grundsätzlich. „Der größte Teil der Jugendhilfe-Wohneinrichtungen für junge Menschen in Sachsen liegt bei freien Trägern der Jugendhilfe – nicht etwa den Kommunen selbst. Es ist deshalb entscheidend, dass wir in einem solchen Ausschuss beteiligt werden. Dafür stehen wir gern bereit“, betont Bauer.

Weitere Informationen:

Christoph Schellenberger
Referent Kinder- und Jugendhilfe
Telefon 0351 83 15 160
E-Mail christoph.schellenberger@diakonie-sachsen.de