ZWEITRANGIG ABER ERSTKLASSIG ...

24. Juni 2020 ... ein diakonisches Wort zum Johannistag 2020 von Christine Rösch

Zum Glück kamen sie dann doch: die Spargelstecher. Aber ob der Spargel dieses Jahr erstklassig oder B-Ware war, hängt von anderem ab. Zum Beispiel wo ich wann welchen gekauft habe. Doch heute an Spargelsilvester ist das Spargelstechen sowieso vorbei. Rhabarber übrigens auch. Wusste ich bisher nicht. Der Beginn der Spargelernte ist ja vom Wetter abhängig, das Ende nicht. „Stich den Spargel nie nach Johanni!“, heißt die Bauernregel. Also ist am 24. Juni jedes Jahr Ende der Saison für den Spargel. Sein Jahr ist um, daher Silvester.

Ob Johannistag so eine Art christliches Mittsommerfest ist? Immerhin ist in exakt sechs Monaten Weihnachten, genauer Heilig Abend- die Geburt Jesu.

Heute am Johannistag (auch Johanni oder Johannestag genannt) denken wir an Johannes den Täufer – er ist ein halbes Jahr vor Jesus geboren. Es gibt nur zwei heilige Menschen in der Bibel, deren Geburtstag wir kirchlich feiern: Johannes und Jesus. Bei den meisten anderen Heiligen oder Prominenten gedenken wir der Todestage.

Eigentlich ist Johannes der Erste, dann aber tritt er doch in die zweite Reihe. Es ist der, der in die Wüste geht, um mit Gott allein zu sein. Als er zurückkommt, liest er den Leuten erstklassig die Leviten. Endlich einer, der sagt, was längst fällig ist: „Ihr Otterngezücht!“, hat er die Menschen angefaucht, weil er gesehen hat, wie schief das meiste läuft. Und er hat sie aufgefordert: „Tut keine Gewalt, tut kein Unrecht! Nehmt nur so viel, wie euch zusteht! Hört auf mit eurer Habgier!“

Und wer das begriffen hat, wer anders und mit neuer Verantwortung leben wollte, den hat er im Jordan getauft. Als Bekenntnis zu einem neuen Lebensstil.

Und dann hat Johannes auch Jesus getauft, daher der Name Täufer. Erst war ihm das nicht recht. „Ich, ein Mann aus der zweiten Reihe, ich soll Jesus taufen? Das geht eigentlich nicht!“ Und dann geht es ums Abnehmen. „Der, der mir folgt (Jesus) ist mächtiger als ich. Ich muss abnehmen. Er aber muss zunehmen.“ (Johannes 3,30) Das heißt zugeben, dass der andere, der Jüngere (wenn auch nur ein halbes Jahr!), an Bedeutung zunehmen wird. Einer der noch nie getauft hat und es auch nie tun wird. Jesus wird die erste und einzige Rolle spielen. Johannes weiß, dass er nur die Vorarbeit gemacht hat. Und da nehme ich erst recht den Hut ab vor Johannes. Weil er mutig und konsequent die Wahrheit verkündet, auch die unangenehme. Man wird ihn immer in die zweite Reihe stellen, er vermutet sogar, schnell vergessen zu werden. Aber er knickt nicht ein. Er zieht sich nicht beleidigt zurück. Er ist zwar als erster geboren, spielt aber die zweite Geige. Und das brillant. Er kennt keine Konkurrenz, fühlt sich nicht gemobbt. Im Gegenteil: er ist stolz, dass ein anderer fortführt, was er beginnen durfte. Das nenn ich wirklich eine erstklassige Haltung.

Egal, ob Sie anlässlich des Johannistages abends beim Johannisfeuer sitzen oder einen Johannisbeerlikör trinken oder einfach auch nur so an Johannes den Täufer denken, nehmen Sie sich (wie Silvester) ruhig mitten im Sommer mal etwas vor. Zum Beispiel sich freuen, dass es Menschen gibt, die das fortführen, woran ich momentan arbeite. Oder wahrnehmen, dass „kein Mensch sich irgendetwas nehmen kann, wenn er es nicht vom Himmel erhalten hat“, sagt Johannes. (Joh.3,27). Oder abnehmen- an der richtigen Stelle- nämlich auch mal an der eigenen Bedeutsamkeit.

Einen frohen Johannistag wünscht Ihre Christine Rösch