WER HAT, DER HAT ...
5. August 2020 ... ein diakonisches Wort zum Tag von Christine Rösch
Es gibt einiges, was jeder Mensch auf der Welt gerne haben will: in Frieden leben, nicht hungern müssen, weitgehend gesund bleiben, ein bisschen Liebe. Auch später nicht knausern müssen und oft genug was zum Lachen haben, fänd‘ ich ganz gut. Dann wird es schon individueller: die eine hofft auf ein bedingungsloses Grundeinkommen, um die Zukunft etwas sorgloser zu sehen. Der andere würde gern sein Vermögen besser verzinst anlegen, weil das sein Schatz im Alter ist.
Wer hat, der hat! Und wer nichts hat? Wie ist das mit den Haben-Worten: Wohlhabend sein, liebhaben und rechthaben. Oder: Habenichts, Menschenrechte als Haben-Rechte, Teilhabe. Aber wann hat man genug Anteil am gesellschaftlichen Leben? Ab welcher Summe ist ein Mensch finanziell sorglos?
Auch die Bibel hat‘s mit dem Haben. „Denn wer da hat, dem wird viel gegeben“: heißt es in einem Gleichnis bei Matthäus 25,14-30. Klar wird: Nicht der ist erfolgreich bei Gott, der sein Vermögen und seine Talente unsichtbar macht und versteckt, sondern derjenige, der etwas riskiert, seine Talente und sich selbst einsetzt.
Zur biblischen Zeit war ein Talent eine Gewichtseinheit. Ein Talent entsprach ca.36 Kilo Silbergeld. Jesus erzählt, wie drei Dienern unterschiedliches Vermögen anvertraut wird. Er spricht von Talenten, und meint damit nicht nur das Gewicht, sondern das, was wir heute darunter verstehen: unsere Begabungen. Wer wenig hat und das nicht vermehrt, verliert es zuletzt ganz. Wer was aus dem Anvertrauten macht, wird zusätzlich belohnt.
Finanzielles und ideelles Eigentum verpflichtet also, auch geliehenes. Gerade haben wir es erlebt. Manche Gutverdiener haben den Künstlern von ihrem Einkommen abgegeben. Da verzichten Menschen auf ihr Recht. Verbraucher und Händler zeigen Kulanz. Restaurantbesucher geben ein großes Trinkgeld, weil sie glücklich sind, wieder essen gehen zu können. Und auch weil die Kellner viele Monate keine Chance auf ein Trinkgeld hatten. Viele Gaben, Ideen und Freundlichkeiten haben sich entfaltet.
Und das alles, weil uns Menschen die Liebe als größtes Talent gegeben ist. Sie ist der Garant, dass kein Mensch in seinem Inneren leer ausgehen muss. Und nur wer sie vergräbt, verliert sie am Ende vielleicht ganz. Wer sie nicht nutzt, wird selbst verkümmern. Wie alle Gaben verkümmern, die wir nicht praktizieren. Aber wer liebt, wird doppelt talentiert dabei.
Mir sagt der Text: Ihr habt ein gutes Startkapital für euer Leben bekommen. Geht großzügig damit um. Versteckt es nicht und euch auch nicht. Um der Liebe zum Lebendigen willen.
Nelson Mandela sagte bei seiner Antrittsrede als Präsident im Mai 1994 in Südafrika: „…Wir fragen uns selbst, wer bin ich – von mir zu glauben, dass ich brillant, großartig, begabt und einzigartig bin?... warum solltest du es nicht sein? Du bist ein Kind Gottes. …Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, die in uns liegt, auf die Welt zu bringen…“
Was für ein Glück, dass wir das Talent zum Lieben von Gott geerbt haben. Ihre Christine Rösch