WAHRHAFT, ECHT UND UNGEFÄRBT SEIN ...

22. April 2020 ... ein diakonisches Wort zum 75. Todestag von Käthe Kollwitz

Sie gehört in die Reihe der bedeutendsten Frauen unseres Landes. Für mich steht sie neben Elisabeth von Thüringen, Clara Schumann-Wieck und Eva von Thiele-Winckler. Für sie alle passt der Satz, der heute als Titelzeile zu lesen ist: »…ich will wahr sein, echt und ungefärbt«. Vor 75 Jahren ist Käthe Kollwitz in Moritzburg gestorben.

Sie war die wohl bedeutendste deutsche Künstlerin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wer in unserer Dienststelle ist, erlebt ihre Kunst an den Wänden im Treppenhaus und im Gang, ihre ungefärbte Strahlkraft. Eine Vielzahl ihrer eindringlichen Zeichnungen, Druckgraphiken und Skulpturen entsteht in direkter Auseinandersetzung mit persönlichen Erfahrungen – Glücksmomenten ebenso wie Schicksalsschlägen. Sie wird auch die „große Künstlerin der Trauer“ genannt.

Aus einer Biografie von 2018:

Knapp 18 Jahre alt ist Käthes Sohn Peter, als er im Ersten Weltkrieg stirbt. Das Ereignis hat Käthe Kollwitz geprägt wie kein anderes und ihm ist die Skulptur "Trauerndes Elternpaar" gewidmet: ein Mann und eine Frau, jeweils auf einem Sockel nebeneinander, in unendlicher Trauer verharrend, jeder für sich.

Käthe ist Bildhauerin, und ihre Werke zeigen eine unbequeme Wahrheit: Krieg, Tod, Trauer, Armut, Verzweiflung. Vor allem das Leid der Menschen bewegt die Künstlerin Käthe. Nicht jedem gefällt, dass sich eine begabte junge Frau mit diesen Dingen beschäftigt, zu Käthes Zeiten sollen Mädchen ein heiteres Wesen zeigen und das Gute hervorheben.

Doch Käthe geht ihren eigenen Weg. Sie hat Glück, dass ihr Vater ihr künstlerisches Talent fördert und ihr eine Ausbildung ermöglicht, zunächst in Berlin, dann zuhause in Königsberg und schließlich in München. Sie heiratet den Arzt Karl Kollwitz und zieht mit ihm nach Berlin, die beiden bekommen zwei Söhne.

Auf der Großen Berliner Kunstausstellung darf Käthe Kollwitz 1898 ihre Radierungen – eine künstlerische Drucktechnik – zeigen, auf denen arme Weber gegen ihre Ausbeutung kämpfen. Ihr Werk wird als "der Weberaufstand" bekannt und ist zeitlebens ihr bekanntestes Werk.

Altmodischen Menschen gefallen die düsteren Motive nicht, die so echt wirken, dass es einen fast erschreckt. Sie wollen lieber eine heile, schöne Welt sehen. Käthe ist aber kein schlecht gelaunter Trauerkloß, im Gegenteil. Sie hat ein mitreißendes lautes Lachen, im Atelier bewegt sie sich mit Energie und Elan, und auf Feiern tanzt und singt sie ausgelassen.

Künstler, Schriftsteller und Politiker, die sich für das Leid der armen Leute interessieren und gegen Ungerechtigkeit sind, erkennen in Käthes Werken ihre Forderung nach mehr Solidarität und Unterstützung von benachteiligten Menschen. Käthes Kunst wird von ihnen also auch politisch verstanden. Wenn sie leidende Menschen zeigt, so macht sie auf deren schreckliche Situation aufmerksam.

Als die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an die Macht kommen, stellt sich Käthe Kollwitz mutig gegen sie. Einige ihrer Werke werden von den Nazis "Entartete Kunst" genannt, als "krank" bezeichnet und einfach verboten.

Nach dem Tod ihres Mannes zieht Käthe Kollwitz 1944 um nach Moritzburg, wo eine Gedenkstätte noch heute an sie erinnert….So beschreibt Claudia Lück die Künstlerin Kollwitz in einem Buch „für Mädchen, die Großes vorhaben“. (WILD,FREI UND WUNDERBAR, mvg Verlag, München)

Ich las in den Weihnachtstagen eine wesentlich ältere Biografie von Käthe Kollwitz. Dort ist mir neben der Lebenslust auch eine große Schwermut der Künstlerin begegnet. Sie konnte über längere Phasen nicht arbeiten. Die Fotos von ihr sahen meist schöner aus als ihre Selbstporträts. Ihr gezeichnetes verweintes trostloses Gesicht, die leeren Augen, machmal schaut sie den Betrachter nicht einmal an- schaut durch ihn durch. Und sie war tief im Glauben verwurzelt, sucht bedingunslos nach Halt. Ja, sie blieb als fragende Zweiflerin mit Gott im Gespräch: „Ist Peter noch da und wie ist er da, oder ist er gar nicht mehr da?“ So schreibt sie in der Silvesternacht 1914 kurz nach dem Tod ihres Sohnes: "Ich will Gott die Ehre geben. Ich will wahrhaft, echt und ungefärbt sein." So wollte sie für Gott und ihren toten Sohn Peter sein.

An einer anderen Stelle schreibt sie: "Wer die Wahrheit, nach der er lebt, nicht bekennt, ist der größte Feind der Wahrheit selbst.“ Das sind Leitsätze, die Grundlage ihres Schaffens und Lebens sind. Und die bis heute eine Orientierung sein können. „Ich will Gott die Ehre geben…“, dieser Satz wird wohl oft weggelassen und zu wenig zitiert. Käthe Kollwitz erinnert mich auch in diesen Tagen Gott die Ehre zu geben.

Vielleicht gelingt es uns gemeinsam ja besser, hofft Ihre /Eure Christine Rösch

https://www.youtube.com/watch?v=-9Sc-LOF7tE