ICH BIN SO FREI ...
31. Oktober 2020 ...ein diakonisches Wort zum Reformationstag
„Ich bin so frei…“ war ein Slogan im Reformationsjubiläum 2017. Und nun? Noch ein bisschen Lebenslust bis Sonntag, dann verordnete Einschränkung der Freiheit. Der von Bund und Ländern befristete Lockdown hofft auf Wiedersehensfreude zum Christfest. Ab Montag sind für diese Hoffnung viele Kontakte, Veranstaltungen, Sport gestrichen, reduziert, meist unfreiwillig. Dazu Maske und Desinfektionsgel in jeder Handtasche, Handschuhfach und Schreibtischschublade.
Reformationstag erinnert an Martin Luther und natürlich an die Freiheit.
Ich bin so frei – oder doch nicht? „Ein Christ ist frei wie ein König. Er bestimmt alles, was er tut. Ein Christ ist zugleich gehorsam wie ein Diener. Andere bestimmen alles, was er tut“, so versteht Luther Freiheit. Dieser Satz stammt aus Luthers Schrift: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (lateinisch: De libertate christiana) aus dem Jahr 1520.
Beim Lesen der Bibel erkennt Luther: „Der Mensch wird Gott nicht dadurch recht, dass er sich mit guten Taten vor Gott beweist. Der Mensch ist Gott recht, weil Gott ihn recht sein lässt…“. Luther hatte Angst, nicht vor Corona. Damals hatten die Leute Angst vor anderen Epidemien und noch mehr vor dem Fegefeuer. Auch Luther rennt ständig zu seinem Beichtvater. Er will alles richtig machen, vor Menschen und Gott am besten unschuldig sein. Aber dann liest er etwas anderes als die Kirchenmänner verkünden. Dass Gott die Menschen mit allen ihren Fehlern liebt. „Dann kann ich ja auch mein Leben ohne Angst leben!", sagt er.
Und deshalb ist „Die Freiheit eines Christenmenschen!“ die zentrale Schrift der Reformation geworden.
Ich bin so frei. Und ich kann mein Leben auch ohne Angst leben. Ich nenne es eine wachsame Zuversicht, die wir in diesen Zeiten aufleben lassen. Niemanden gefährden, niemandem schaden und niemanden unnötig ängstigen. Dafür sollen wir verantwortlich sein, mitdenken und tun oder auch lassen, was den Nächsten beschützt, seine Gesundheit an Leib und Seele bewahrt und dem Frieden untereinander dient.
Gewissensfreiheit, Mitbestimmung, Demokratie und freie Willensbildung wurden durch die Reformation auf die Tagesordnung gesetzt. Die Verweltlichung der Macht, eine moderne Gesetzgebung und ein neues Staatsverständnis nahmen mit Luthers Wirken ihren Anfang.
„Frei sein aber ist das, welches mir freisteht: ich mag es gebrauchen oder lassen, doch so, dass meine Brüder und nicht ich den Nutzen davon haben.“ (Luther) Auf die Freiheit müssen wir achten, auch auf die eigene-in der Tat. Aber erst einmal muss sie sich für die anderen lohnen.
Und dann: Sind Sie so frei! Wie eine Königin oder ein Diener?!
Einen gesegneten Reformationstag wünscht Ihre Christine Rösch