Andacht zur Himmelfahrt 2020

Zum Nachlesen in der Bibel: Apostelgeschichte 1,1-14

An einem Morgen – es ist schon einige Jahre her - saßen wir in Familie am Frühstückstisch und unterhielten uns darüber, was wir über die Himmelfahrtstage unternehmen wollen. Unser Sohn (damals 6 Jahre) schnappte das Wort „Himmelfahrt“ auf und fragte: „Himmelfahrt? Was ist das? Können wir das auch mal machen?“

Nach dem ersten Schmunzeln habe ich dann nachgedacht. Himmelfahrt – was ist das? Was bedeutet das – für mich, für uns?

Für die Jünger damals war es der Abschluss einer verwirrenden Zeit. Nach dem Schock und der Trauer über Jesu Tod kam die ungläubige, noch zaghafte Freude über die Auferstehung und die Begegnungen mit dem Auferstandenen. So langsam kamen sie wieder hinein - in die Begeisterung, mit Jesus zusammen zu sein, seine Worte zu hören, seine unmittelbare Nähe zu spüren. Und dann führt er sie hinaus – bei Lukas lesen wir von Bethanien – spricht seine Abschiedsworte – und wird „in den Himmel hinauf gehoben“. Jesus entfernt sich. Und auch wenn die Jünger körperlich am Ort verbleiben, sind sie doch innerlich wieder herausgerissen – aus der Nähe zu Jesus. Sie müssen das Loslassen noch einmal ganz neu lernen. Nach Karfreitag hatten sie wenigstens einen Körper und eine Grabstätte und damit einen Platz für ihre Trauer. Was ihnen jetzt bleibt: den Worten Jesu zu gehorchen und der Verheißung zu vertrauen. Wie ich mir vorstelle, eine Zeit unerträglichen Wartens.

Wir hier wissen von Pfingsten und darum, dass Jesus sein Versprechen gehalten hat.

Aber auch wir kennen Zeiten des Schmerzes, des Verlustes – vielleicht eines lieben Menschen. Und je näher uns dieser Mensch war, desto tiefer der Verlust.

Die Erfahrung von Nähe und Ferne zu Menschen und auch zu Gott gehört zu den existentiellen Erfahrungen unseres Lebens. Und genau wie wir eingeladen sind, uns auf Begegnungen, Beziehungen zu anderen einzulassen, müssen wir das Loslassen lernen.

Selbst Gott müssen wir von Zeit zu Zeit loslassen – in den Momenten, wo er die Grenzen unseres Denkens aufbricht und sich unseren Erwartungen und Wünschen entzieht. Dann erstreckt sich über uns nur der Weltraum mit seinen Weiten, der Himmel – Gottes Reich – dagegen erscheint uns unendlich fern. Einer Verheißung zu trauen, auch wenn sie noch so großartig klingt, fällt dann schwer.

Vielleicht ist es erstmal nur ein Durchhalten, ein Sich-neu-Besinnen. In der Apostelgeschichte lesen wir, dass die Jünger nach Himmelfahrt auf dem Dachboden eines Hauses zusammenrückten (zumindest waren sie dem Himmel dort ein Stückchen näher als im Erdgeschoss ). „iese alle waren stets miteinander einmütig im Gebet“ – so steht es geschrieben.

Das erscheint mir wichtig: in Zeiten der scheinbaren Gottverlassenheit die Gemeinschaft mit anderen zu suchen, das Gespräch mit Gott aufrechtzuerhalten und sich so auch auf seine versprochene Nähe zu berufen, sie einzufordern.

"Himmelfahrt – was ist das? Können wir das auch mal machen?“

Wir können dies: mit Gott Erfahrungen der Ferne aber auch der Nähe machen. In dieser Spannung leben wir. Daran erinnert uns die Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten.

Ich lade Sie herzlich ein, beim Lesen des Textes von Margot Bickel mit zu beten:

Ausstrecken möchte ich mich
Nach dem
Was über mir ist
Die Wolken, der Himmel
Die Sonne
Die Sterne
Der Mond
Der kreisende Vogel
Die Krone des Baumes
Nur der Blick nach unten
Auf den Boden
Den Staub des Weges
In meine Abgründe
Führt weg von Dir
In meine Ich-Bezogenheit
Meine Gottverlassenheit
In die Nacht
Die Finsternis
Gnade ist es
Nach oben zu schauen
Dich zu erahnen
Nach unten zu blicken
Vertrauend auf Deine Barmherzigkeit
Beides zu ertragen
Deine Ferne
Deine Nähe

Amen


Mit herzlichen Grüßen Veronika Majta

Bild: V. Majta

Textquelle: M. Bickel: Sehnsucht die verwandelt, Verlag Franckh-Kosmos, 1995, S.20