24.03.2022
Keine Wohnung heißt ...
... Existenzielle Armut, schutzlos vor Gewalt, schlechte Gesundheit und keine Perspektive auf ein anderes Leben!
Wohnungslose Menschen gehören zu den verletzlichsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Wer auf der Straße leben muss, ist häufig Gewalt ausgesetzt, oft gesundheitlich nicht versorgt und ohne Geld. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen systematischen Lebenslagenuntersuchung wohnungsloser Menschen, die der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) veröffentlicht hat. Befragt wurden wohnungslose Menschen in 69 Einrichtungen und Diensten der Diakonie in Deutschland. Dazu gehörten ambulante Dienste und stationäre Angebote, Beratungsstellen, Tagesstätten, spezifische Einrichtungen für EU-Bürger:innen und Frauen, Angebote der medizinischen Versorgung, Notübernachtungen, Streetwork-Projekte sowie Angebote der Straffälligenhilfe. Auch Einrichtungen der Diakonie Sachsen beteiligten sich an der Studie.
Rotraud Kießling, zuständige Referentin, sagt: „Die Ergebnisse sind erschütternd. Nicht nur, dass die Wohnungslosigkeit weiter steigt – die Lebenslagen der betroffenen Menschen haben sich seit der Corona-Pandemie weiter verschlechtert. Das gilt besonders für ihre gesundheitliche Situation – was auch mit den aufgrund der Hygieneauflagen verringerten Angeboten der Wohnungsnotfallhilfen z.B. in Tagesaufenthalten zu tun hat. Aber auch die persönliche Sicherheit ist für diejenigen, die auf der Straße leben, höchst prekär. Die Ergebnisse der Studie zeigen eines: Wohnungslose Menschen brauchen möglichst schnell eine dauerhafte, abgesicherte Wohnung, erst recht in Pandemiezeiten!“
Laut Studie lebt knapp jede:r neunte Befragte auf der Straße, in einem Zelt, Wohnmobil oder in einem Abrisshaus. Weniger als die Hälfte von ihnen (45,5 %) erhält staatliche Sozialleistungen, 43,6 % verfügen über kein Geld. Straßenwohnungslosigkeit kann der Studie zufolge als existenzielle Armutssituation betrachtet werden, die sich gegenüber der ersten Untersuchung 2018 noch einmal verschlechtert hat. Der größte Teil dieser Menschen schätzt die eigene gesundheitliche Situation überwiegend als schlecht oder sehr schlecht ein (41,6 %), fast drei Fünftel der straßenwohnungslosen Menschen (58,4 %) erlebten in den vorangegangenen sechs Monaten mindestens einmal monatlich bedrohliche Situationen.
Besonders prekär ist auch die Situation von EU-Bürger:innen, deren Einkommen durchweg niedriger ist als das Deutscher. Sie leben häufiger auf der Straße oder in Notübernachtungen, haben noch seltener Zugang zu medizinischer Versorgung und erleben mehr bedrohliche Situationen.
„Menschen ohne Wohnung sind massiv in ihren Grundrechten eingeschränkt. Wohnungslose Menschen sollten nicht in Notunterkünften oder lediglich vorübergehend untergebracht werden, sondern Wohnraum unbefristet mit eigenem Mietvertrag erhalten. Deshalb fordert die Diakonie Quotierungen für wohnungslose Menschen beim sozialen Wohnungsbau und höhere Belegungsrechte der Kommunen. Und: Gerade in den Zeiten rasant steigender Kosten für Strom und Heizung, die einkommensarme Haushalte besonders treffen und im schlimmsten Fall zum Verlust der Wohnung führen, ist die Prävention von Wohnungsverlusten das A und O“, so Kießling abschließend.
Hintergrund: In Deutschland wird die Jahresgesamtzahl wohnungsloser Menschen von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit (BAG W) auf 256.000 im Jahr 2020 geschätzt. Zusätzlich leben laut BAG W knapp 161.000 wohnungslose anerkannte Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften oder in dezentraler Unterbringung.
Link zur Studie: https://www.ebet-ev.de/files/EBET/evo/Forschung/2.%20Lebenslagenuntersuchung_EBET_ASH.pdf