27.10.2022
Jobcenter müssen erreichbar sein und zeitnah beraten!
Die Diakonie Sachsen appelliert an die sächsischen Jobcenter, vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise eine gute Erreichbarkeit sicherzustellen. „Gerade jetzt dürfen Hilfesuchende nicht vor verschlossenen Türen stehen oder lange auf Termine warten müssen, wenn es beispielsweise um Anträge auf Übernahme von stark erhöhten Betriebskosten- oder Stromabschlägen geht. Hier müssen ja Fristen eingehalten werden, damit Leistungen auch ausbezahlt werden“, sagt Dietrich Bauer, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen.
Bauer bezieht sich in seinem Appell auf die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), nach der gut 60 Prozent der befragten Beratungsstellen beklagen, dass Hilfesuchende wegen der schweren Erreichbarkeit ihres Jobcenters ihnen zustehende Leistungen zu spät oder gar nicht gezahlt bekommen. Auch sächsische Beratungsstellen haben sich an dieser Umfrage beteiligt, und bestätigt, dass den Betroffenen häufig Informationen fehlten, zugesandte oder eingeworfene Unterlagen zu spät oder gar nicht bei den Behörden ankämen. „Wenn eine schnelle persönliche Klärung nicht möglich ist, verschärfen sich die Probleme ihrer Klienten - zum Teil mit gravierenden Folgen – bis hin zum Verlust der Wohnung. Wegen der starken Inflation drohen immer mehr Menschen finanziell abzurutschen. Ihnen muss aber besonders schnell geholfen werden.“
Nach der Erhebung hat ein Viertel der Jobcenter auch im dritten Pandemiejahr keine regulären Öffnungszeiten. Knapp ein Drittel verfügt nicht über eine frei zugängliche Eingangszone, in der die Menschen ihre Unterlagen abgeben oder Informationen einholen könnten. 36 Prozent der Befragten klagen, das Jobcenter sei nur über eine zentrale Hotline erreichbar - mit langen Wartezeiten, ausbleibenden Rückrufen und unqualifizierten Auskünften. „Digitale Angebote und Telefon-Hotlines sind wichtige Zugänge, die die Erreichbarkeit in digitalen Zeiten verbessern. Sie können das persönliche Gespräch und die Beratung jedoch nicht ersetzen. Denn nicht alle Menschen können ihre Anliegen digital oder telefonisch vorbringen - weil sie mit den digitalen Zugängen nicht zurechtkommen oder gar keinen haben, nicht gut genug Deutsch sprechen oder nicht richtig lesen und schreiben können“, so Bauer.
Als positive Beispiele nennen die Beratungsstellen Jobcenter, die ein Fenster zur Abgabe von Dokumenten haben, auf den Schreiben Ansprechpartner angeben, kurzfristig persönliche Termine ermöglichen und offene Sprechzeiten haben.
Für die Studie waren im Juni 2022 knapp 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 600 Beratungsstellen der Verbände online befragt worden. Es handelt sich um Sozialberatungsstellen, sowie spezielle Anlaufstellen, etwa für geflüchtete oder obdachlose Menschen.
Für die sozialen Beratungsstellen selbst resultiert aus der eingeschränkten
Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen ein erhöhter Zeitaufwand für die Kommunikation mit diesen Behörden (80%), ein erhöhter Zeitaufwand pro Beratung (76%), eine erhöhte Beratungsfrequenz (55%), mehr Kriseninterventionen (53%) und insgesamt mehr Klientinnen und Klienten (52%).
Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ, geben aber einen guten Einblick in die Problematiken der Praxis.
Eine separate Grafik als jpg-Datei zu den Folgen der eingeschränkten Erreichbarkeit für Hilfesuchende/ Leistungsberechtigte liegt anbei - einmal im Querformat- und einmal im Hochformat).