18.10.2022
Einmal zu oft auf- und wieder abgebaut: Jetzt fehlen nachhaltige Strukturen zur Unterbringung geflüchteter Jugendlicher
Diakonie Sachsen fordert angesichts steigender Zahlen Hilfesystem mit mehr Weitblick
In Sachsen kommen derzeit pro Monat ungefähr 300 geflüchtete Jugendliche ohne Begleitung an. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan und vielen anderen Ländern - die Hintergründe und Fluchtursachen sind nur teilweise bekannt. So waren es Anfang Oktober bereits über 800, die durch sächsische Jugendämter in Obhut genommen worden sind oder über ein bundesweites Verteilverfahren in Sachsen Anschlussunterbringung erhalten.
Doch ihre Unterbringung ist schwierig – es fehlt mittlerweile überall an Personal. Anders als in den Jahren 2015-17 – damals bewältigte die sächsische Jugendhilfe zeitgleich die Unterbringung von über 2.200 unbegleiteten Flüchtlingen – sind die damals mühsam auch bei der Diakonie aufgebauten Strukturen und Wohneinrichtungen kontinuierlich durch die Jugendämter nicht mehr belegt worden und mussten daher Stück für Stück aufgelöst und das Personal entlassen werden. Im Frühjahr 2022 wiederum wurden die Einrichtungen und Dienste von der Landesjugendbehörde dazu aufgerufen, wieder Wohneinrichtungen bereit zuhalten: Man erwartete viele unbegleitete Minderjährige aus der Ukraine. Diese blieben aber aus und die Wohneinrichtungen mussten nach wenigen Wochen wieder schließen. Hochmotivierte Fachkräfte konnten nicht gehalten werden und wanderten in andere Arbeitsgebiete ab.
„So nachvollziehbar das ist, müssen wir mit der schwierigen Situation umgehen, dass wir jetzt – also nur ein halbes Jahr später - keine Mitarbeitenden mit fachlicher Qualifikation für Wohneinrichtungen für unbegleitete Jugendliche mehr haben. Insofern sind die zeitlich befristeten Absenkungen der Fachstandards, die sich ausschließlich auf die Unterbringung von geflüchteten Minderjährigen beziehen, richtig. Aber langfristig brauchen wir wieder belastbare und nachhaltige Strukturen“, beschreibt Dietrich Bauer, Chef der Diakonie Sachsen, das Dilemma der diakonischen Jugendhilfe.
Christoph Schellenberger, zuständiger Referent bei der Diakonie Sachsen, ergänzt: „Die Oberste Landesjugendbehörde hat das Landesjugendamt angewiesen, Fachstandards bis zum 31.03. 2023 abzusenken. Dies soll Handlungsspielraum ermöglichen, um in dieser Situation gegensteuern zu können. Nun können auch Mitarbeitende mit Qualifikationen aus weiteren sozialen Handlungsfeldern tätig werden, wie beispielsweise Heilerziehungspflegerinnen. Allerdings gibt es in allen sozialen Arbeitsfeldern akuten Fachkräftemangel – gerade auch in der Eingliederungshilfe. Im Einzelfall können auch räumliche Standards abgesenkt werden. Dennoch brauchen wir einen nachhaltigen Strukturaufbau im Bereich der Unterbringungsmöglichkeiten für junge Geflüchtete nach Jugendhilferecht. Das umfasst auch verlässliche Zusagen für Finanzierungen, die den Einrichtungen auch mittelfristig eine wirtschaftliche Sicherheit bieten!“
„Angesichts der weltweit zunehmenden Krisen müssen wir doch davon ausgehen, dass auch zukünftig immer wieder junge Geflüchtete nach Sachsen kommen. Deutschland ist gut beraten, diesen jungen Menschen hier ein schnelles Ankommen und Bildung zu ermöglichen“, so Dietrich Bauer abschließend.
Weitere Informationen: Christoph Schellenberger, Referent Kinder- und Jugendhilfe, christoph.schellenberger(at)diakonie-sachsen.de, 0351(8315-160).
Für Rückfragen an einen diakonischen Träger, der bereits Einrichtungen zur Unterbringung (in einer Großstadt) steht Reinhard Fries, Abteilungsleiter Kinder-und Jugendhilfe der Diakonie Dresden, (0351) 81 72 390, reinhard.fries(at)diakonie-dresden.de bereit.