12.12.2022

Diakonische Betreuungsvereine schlagen Alarm

Es droht das finanzielle Aus

Rechtliche Betreuung wird gerade in Sachsen aufgrund der demographischen Entwicklung immer wichtiger. „Sie ist ein anspruchsvoller und herausfordernder Dienst und basiert auf dauerhaftem Engagement. Hier sind Betreuungsvereine unverzichtbar“, sagt Gudrun Braun, Juristin und Referentin für Sozialrecht bei der Diakonie Sachsen. „Neben der Übernahme von rechtlichen Betreuungen sind sie für die Querschnittsarbeit verantwortlich: Sie beraten und informieren die Bürgerinnen und Bürger über betreuungsrechtliche Fragen, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen. Zudem stellen sie mit ihrer Arbeit sicher, dass die rund 28.000 ehrenamtlich geführten Betreuungen in Sachsen fachkundig beraten, begleitet und unterstützt werden. Durch die Gewinnung und Schulung sowie die fachliche Begleitung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern tragen sie dazu bei, dass die Rechtlichen Betreuungen und damit die Betreuten in ihren jeweiligen Lebenslagen gestärkt und die Gesellschaft hinein geholt werden.“

Doch jetzt droht ihnen das Aus. Denn die Reform des Betreuungsrechts, die am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bekräftigt zwar ausdrücklich der Anspruch anerkannter Betreuungsvereine auf eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln - das Nähere ist aber im Landesrecht zu regeln. Auch in Sachsen wird es ein Gesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts geben, das die künftige Finanzierung bestimmt. Es ist jedoch noch immer nicht beschlossen. Zudem droht mit dem vorliegenden Entwurf, der am kommenden Donnerstag den Landtag passieren soll, für die diakonischen Betreuungsvereine das finanzielle Aus.

„Die Betreuungsvereine sind fassungslos. Nicht nur, dass wir Stand heute nicht planen können, wie es 2023 weitergehen soll, weil es keine belastbaren Finanzzusagen gibt. Und der uns vorliegende Gesetzentwurf kann auch nach letzter Nachbesserung bundesweit nur als Negativbeispiel gelten!“, sagt Janet Roth, Geschäftsführerin des Betreuungsvereins Mittweida e.V. “Er geht völlig an der Realität vorbei, weil er keine ausreichende Finanzierung vorsieht, sondern einen Leistungskatalog, der eine Grundvergütung von 10.000 Euro pro Jahr gewährt und eine maximale Finanzierungssumme von 44.000 Euro ermöglicht, deren Kriterien aber schlicht unerfüllbar sind.“  Das Änderungsgesetz solle zwar noch Verbesserungen erfahren, u.a. solle die Grundvergütung auf 16.000 Euro/Jahr angehoben werden – aber auch das reiche nicht aus. Ein weiteres großes Problem sei die im Gesetz vorgesehene nachträgliche Vergütung der Leistungserbringung. „Der Antrag kann erst sechs Monate später gestellt werden, dann muss über den Antrag entschieden und die Zahlung angewiesen werden – es vergeht also realistisch deutlich mehr als ein halbes Jahr; somit müssen Betreuungsvereine in Vorkasse gehen anstelle einer vorfinanzierten planbaren Zahlung. Das ist für uns und unsere Liquidität der Todesstoß!“, warnt Roth.

Die Betreuungsvereine fordern daher eine im Gesetz vorgeschriebene verlässliche, planbare Zuweisung in Form der Finanzierung einer Stelle pro 100.000 Einwohner - wie in den meisten anderen Bundesländern auch. Damit lasse sich planen und arbeiten und so dem Gedanken des Gesetzgebers auf Stärkung des Ehrenamtes Rechnung tragen. Auch die Querschnittsarbeit im Verein sollte mit einer festen, fortlaufend gewährten Summe unterstützt werden.

Hintergrund: Eine Betreuung ist immer dann erforderlich, wenn ein volljähriger Mensch seine rechtlichen Angelegenheiten auf Grund einer psychischen Erkrankung oder geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung nicht oder nicht umfassend selbständig erledigen kann. Ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen haben in der Regel dazu mehr Zeit. Die beruflichen Betreuer und Betreuerinnen der Betreuungsvereine leiden darunter, dass die seit Jahren gedeckelte Refinanzierung über Fallpauschalen im Grunde nicht ausreicht und nur über eine Steigerung der Fallzahlen auszugleichen ist - was einer fachlich gut geführten beruflichen Betreuung entgegenläuft. Auch die ausreichende Finanzierung der Querschnittsarbeit von Betreuungsvereinen ist daher ein wichtiger Gesichtspunkt. Denn Betreuungsvereine gewinnen nicht nur neue Ehrenamtliche, sie sind auch eine ständige Anlaufstelle für alle Betreuerinnen und Betreuer und stehen ihnen mit Rat und Tat, ihrem ganzen Fachwissen und ihrer Erfahrung zur Seite. Was nötig ist, denn falsche Vorstellungen von den Aufgaben und Befugnissen eines Betreuers haben nicht nur Angehörige, sondern auch Banken, ärztliches Personal und Behörden.