18.08.2022
Diakonie Sachsen warnt: Geplante Einschnitte bei der Arbeitsförderung treibt soziale Spaltung weiter voran
In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, das derzeit bis Ende 2024 befristete Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ auch nach der Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende („Hartz IV“) zu einem modernen Bürgergeld, zu verstetigen. Das ist zu begrüßen, weil damit dauerhaft ein Sozialer Arbeitsmarkt für besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose etabliert werden kann. In ihrem jüngst bekannt gewordenen Haushaltsentwurf plant die Bundesregierung für das Jahr 2023 jedoch zugleich, die Mittel für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit von 4,8 auf 4,2 Milliarden Euro zu kürzen. Dieses Vorhaben kritisieren Diakonie Sachsen und der Evangelische Fachverband für Arbeitsförderung scharf:
„In Sachsen waren im Juli 2022 rund 118 500 Menschen arbeitslos, 82 274 von ihnen in Langzeit. Die Hilfen nach § 16i SGB II nehmen derzeit mindestens 2 200 Menschen in Anspruch. Sie umfassen Qualifizierungen, öffentlich geförderte Beschäftigung sowie Lohnkostenzuschüsse. Angesichts der erheblichen Risiken der verschiedenen aktuellen Krisen für die allgemeine Arbeitsmarktsituation und der aktuellen Tendenz zu mehr Langzeitarbeitslosigkeit sollte doch gerade das Budget für langzeitarbeitslose Menschen auf gar keinen Fall gekürzt werden“, sagt Anne Katrin Koch vom Netz-Werk e.V. Mittweida und Mitglied im Evangelischen Fachverband für Arbeitsförderung. „Was nützt eine Entfristung der Fördermöglichkeiten, wenn dafür vor Ort keine Gelder zur Verfügung stehen?“
Der Netz-Werk e.V. ist einer von mehreren diakonischen Trägern, die seit 30 Jahren langzeitarbeitslose und am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen beschäftigt und unterstützt. Derzeit werden im Netz-Werk 22 ArbeitnehmerInnen über § 16i und e SGB II in den Sozialkaufhäusern, den Tafeln und der Textilkonfektion des Unternehmens beschäftigt. Neue Förderungen gibt es nicht und jede Weiterbewilligung steht auf der Kippe.
„Wenn hier jetzt gespart werden soll, geht es nicht nur um die Verringerung von Arbeitsmarktchancen für Menschen, die sonst kaum eine Stelle finden. Es geht um viel mehr: Wir erleben es doch jeden Tag, wie genau die Förderbeschäftigung die Personen erreicht, für die sie gedacht ist und wie gut es ihnen und ihren Familien tut. Manche schaffen sogar wieder den Anschluss zu einem ungeförderten Job. Aber alle fühlen sich besser und als nützlicher Teil der Gesellschaft durch Erwerbsbeteiligung. Sie haben wieder einen geregelten Tagesablauf, finden neue Kontakte und machen positive Erfahrungen mit sich selbst. Und sie bekommen einen selbstverdienten Lohn, gehören also wieder dazu! Teilhabe am Arbeitsleben ist der Schlüssel zu sozialer Integration und vermeidet weitere soziale Spaltung. Zudem würden jene Menschen aus den Maßnahmen gedrängt, die es am allernötigsten hätten. Ausgerechnet an dieser Achillesferse der Gesellschaft zu sparen, heißt, Zugehörigkeit zu verhindern – mit allen sozialen Folgen“, warnt Koch.
„Die zu begrüßende politische Absicht, die Arbeitsförderung erhalten zu wollen und die Aussage, gleichzeitig die Mittel zur Eingliederung der Menschen in Arbeitsprozesse zu kürzen, sind sich widersprechende Botschaften. Sie demotivieren die Betroffenen in ihrem Bemühen, wieder Arbeit zu finden“, fasst Dr. Viola Vogel, Vorstand für Wirtschaft und Recht bei der Diakonie Sachsen, zusammen. Sie appelliert an Land und Bundestagsabgeordnete, den geplanten Kürzungen eine Absage zu erteilen.
Weitere Informationen: Anne Katrin Koch, Netz-Werk e.V. Mittweida, Tel: 03727/ 9978-0; www.netzwerk-mittweida.de