27.10.2021
Finanzielle Notlagen nehmen weiter zu
Einkommensarme und leistungsberechtigte Haushalte brauchen so schnell wie möglich eine Ausgleichszahlung für steigende Energie- und Lebensmittelkosten!
Immer mehr Menschen geraten durch pandemiebedingte Einkommensverluste wie Kurzarbeit, Wegfall des Minijobs oder gescheiterte Selbstständigkeit in finanzielle Notlagen. Und immer mehr Menschen werden unter dem Druck der Schulden psychisch krank. Das sind nur einige der Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) in diesem Sommer. Demnach erhöhte sich die Anzahl der Anfragen im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie bei zwei Dritteln der befragten Beratungsstellen mehr als deutlich. Insgesamt beteiligten sich 461 Beratungsstellen an der Umfrage, davon knapp 300 von Caritas und Diakonie.
Dietrich Bauer, Chef der Diakonie Sachsen, hält die steigende Nachfrage nach Schuldnerberatung für alarmierend: „Fällige Kredite, Miet- und Energieschulden machen große Angst – verständlich, dass die psychische Belastung zunimmt. Wenn seit den Monaten nach der Befragung die Energie- und
Benzinpreise noch einmal kräftig gestiegen sind und noch weiter ansteigen werden, zudem deutlich mehr Geld für Lebensmittel gezahlt werden muss, wird die finanzielle Not für viele Menschen noch größer - nicht nur bei den weit über fünf Millionen Menschen im SGB-II-Leistungsbezug. Diese Abwärtsspirale muss gestoppt werden. Einkommensarme und leistungsberechtigte Haushalte brauchen daher jetzt sofort eine Ausgleichszahlung als Inflations- und Energiekostenentschädigung!“, fordert Bauer von der künftigen Ampelkoalition. „Wir geraten sonst in eine noch größere soziale Unwucht, die das Vertrauen in eine funktionierende Demokratie weiter erodieren läßt!“
Zudem stehen der stark erhöhten Nachfrage nach Hilfe und Beratung keineswegs mehr Kapazitäten in den Schuldnerberatungsstellen gegenüber. „Die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen arbeiten über ihrem Limit, und das nicht erst durch die Pandemie. Daher kommt es zu längeren Wartezeiten und die Verschuldungsproblematik verschärft sich exponentiell. Auch erfordern die psychischen Erkrankungen noch einmal ein ganz anderes Maß an Beziehungsarbeit und Hilfestellung, bevor die finanzielle Notlage bearbeitet werden kann“, sagt Rotraud Kießling, zuständige Referentin der Diakonie Sachsen. Schon vor der Corona-Krise konnten nur zehn bis 15 Prozent der überschuldeten Menschen überhaupt beraten werden. „Ohne professionelle Unterstützung werden viele dieser Menschen den Weg aus der Überschuldung nicht bewältigen. Wir brauchen dringend mehr Angebote und die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf soziale Schuldnerberatung für alle!“
Hintergrund:
In Deutschland gibt es etwa 1.400 Schuldnerberatungsstellen, in Trägerschaft der Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände oder der Kommunen bzw. als Mitglied in einem der Verbände. An der Umfrage beteiligten sich 461 Schuldnerberatungsstellen.
Im Gegensatz zu gewerblichen Anbietern ist die gemeinnützige soziale Schuldnerberatung für die überschuldeten Menschen kostenfrei. Bislang ist die gemeinnützige Schuldnerberatung bundesweit uneinheitlich finanziert und chronisch unterfinanziert.
Weitere Informationen:
Hintergrund-Papier zu den Ergebnissen der Umfragen und Forderungen der Diakonie: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/schuldnerberatung
Ratgeber Hilfe bei Schulden: https://hilfe.diakonie.de/hilfe-bei-schulden
Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände: http://www.agsbv.de/