03.04.2019

Abschiebestopp für Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit gefordert

Angesichts der Pläne des Innenministeriums, mit dem „Geordneten Rückkehrgesetz“ Abschiebungen zu erleichtern und Auflagen für Flüchtlinge zu verschärfen, fordert Dietrich Bauer, Chef der Diakonie Sachsen, wie der EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, einen Abschiebestopp für alle Menschen in Ausbildung und Beschäftigung. „Wir brauchen ein Moratorium bis das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz in Kraft tritt, weil sich die Fälle häufen, in denen Leute, die hier gebraucht werden, die Arbeitgeber haben und arbeiten oder in Ausbildung sind, auf Abschiebelisten gesetzt werden. Das widerspricht nicht nur humanitären Grundsätzen, sondern auch jeder ökonomischen Vernunft."
Auch die im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehene Drohung, all jene, die über geplante Abschiebungen berichten oder Abschiebedaten veröffentlichen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen, sieht Bauer in diesem Zusammenhang kritisch. „Dies ist völlig unverhältnismäßig.  Abschiebetermine wurden früher in der Regel von den Behörden selbst mitgeteilt - begründet wurde dies mit der Notwendigkeit, die Interessen der Betroffenen umfassend zu berücksichtigen und ihre Würde zu wahren.“ 
Vor Abschiebungen zu warnen bedeute, dass einige wenige Geflüchtete noch die Gelegenheit wahrnehmen könnten, ihre Rechte vor Behörden und Gerichten einzufordern. „Das ist unabdingbar. Denn Familien auseinanderreißen, Schwangere und Kranke abzuschieben, Menschen aus der Ausbildung zu reißen – und das sind leider keine Einzelfälle - ist ein menschenrechtliches Problem. Als Kirche und Diakonie sind wir den Menschenrechten der Geflüchteten verpflichtet. Es geht nicht darum, generell Abschiebungen zu verhindern. Aber jeder solche Fall ist ein Einzelfall. Hier noch einmal genau hinzuschauen, das halte ich für eine Tugend. Das stärkt den Rechtsstaat. Daher ist es gut und richtig, dass die Menschen, die nah dran sind und die Einzelschicksale kennen, diese auch weitergeben und ungerechtfertigte Abschiebungen zu verhindern versuchen.“
Der Gesetzentwurf berge auch einen Angriff auf den Grundsatz der individuellen und ergebnisoffenen Beratung von Sozialarbeiter*innen und Rechtsanwalt*innen, der ein wesentlicher Eckpfeiler des Rechtsstaats ist.
„Besser wäre es, die Abschiebepraxis nach Afghanistan zu beenden, statt die sogenannte ‚aggressive Anti-Abschiebe-Industrie‘ zu kriminalisieren.“ Beinahe die Hälfte aller Abschiebeentscheide nach Afghanistan werde wegen der dortigen schlechten Sicherheitslage bislang von den Verwaltungsgerichten wieder aufgehoben. 
Auch angesichts des hohen öffentlichen Interesses z.B. an Abschiebungen nach Afghanistan und der Rolle der Medien bei der Veröffentlichung von Terminen von Abschiebungsflügen sei es nicht verhältnismäßig, eine Veröffentlichung dieser Information unter Strafe zu stellen.

„Es kostet Mut, sich in dieser Zeit für geflüchtete Menschen einzusetzen. Aber wenn nicht mehr Solidarität und Mitgefühl, sondern Feindseligkeit und Kriminalisierung gegenüber Geflüchteten und ihren Unterstützer*innen zur Richtschnur des politischen Handelns erhoben werden, müssen Kirche und Diakonie ihre Stimme erheben“, so Bauer abschließend.