12.11.2018

Pflegestärkungsgesetz: Ungleichgewichte zulasten der ambulanten Pflege!

Als ein Gesetz mit Licht und Schatten bezeichnet OKR Dietrich Bauer das am Freitag verabschiedete Pflegestärkungsgesetz, das ab 1. Januar 2019 in Kraft treten soll.
Bauer begrüßt die vorgesehenen Verbesserungen in der Personalausstattung. "13.000 neuen Stellen in Pflegeheimen reichen zwar bei weitem nicht aus, um den gravierenden Fachkräftemangel zu beseitigen, aber wenigstens gehen die damit verbundenen Mehrkosten nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen! Das ist vor dem Hintergrund stetig steigender Eigenanteile der Pflegebedürftigen am Heimentgelt zu begrüßen. Künftig wird die medizinische Behandlungspflege in den Pflegeheimen zumindest teilweise von den Krankenkassen refinanziert – auch das ist eine Weichenstellung in die richtige Richtung!“
Wie viele neue Stellen pro Heim eingerichtet werden, hängt von der Größe der Einrichtungen ab: Leben in einem Heim nicht mehr als 40 Menschen, gibt es eine halbe zusätzliche Pflegestelle. Sind es nicht mehr als 80 Bewohnerinnen und Bewohner, wird eine ganze Stelle eingerichtet, bei 81 bis 120 Bewohnern eineinhalb, und Einrichtungen mit mehr als 120 Menschen erhalten zwei Stellen zusätzlich. Woher die Fachkräfte für diese Stellen allerdings kommen sollen, bleibt unklar.
An einer zukünftig tragfähigen und gerechten Finanzierung in der professionellen Altenpflege müsse aber weitergearbeitet werden, so Bauer weiter. „Dies betrifft sowohl die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung, die in den letzten Jahren nicht entsprechend der Kostenentwicklung angepasst wurden, als auch eine ausgewogene Finanzierung aus Eigenanteilen, Sozialversicherungsbeiträgen und gegebenenfalls Steuermitteln“.
Kritisch sieht Bauer das Ungleichgewicht zwischen den Maßnahmen zur Personalverbesserung in der Altenpflege, der häuslichen Krankenpflege und denen im Krankenhaus. „Im Krankenhaus wird zukünftig jede zusätzliche Stelle in der Pflege finanziert. In stationären Pflegeeinrichtungen sind es maximal bis zu zwei Pflegestellen. Die ambulante Pflege darf sich zwar auch über Verbesserungen freuen, aber insbesondere hier müssen die Rahmenbedingungen dringend weiter verbessert werden, schon um einer Abwanderung von Pflegepersonal in die Krankenhäuser entgegen zu wirken. Die Vorgabe des Gesetzgebers, dass künftig auch in der häuslichen Krankenpflege Tariflöhne durch die Kassen bei stabilen Beiträgen refinanziert werden, ist in diesem Zusammenhang ein Meilenstein, den wir als Tarifpartner besonders positiv vermerken. Auch dass endlich aufwendige Wegezeiten in der ambulanten Pflege berücksichtigt werden müssen, tut gut.  Hier bleibt nur zu hoffen, dass die Gesundheitsselbstverwaltung den damit verbundenen Arbeitsauftrag, die dabei zu beachtenden Grundsätze festzulegen, auch sobald wie möglich erfüllt!  Eine angemessene Berücksichtigung der Wegezeiten darf nicht auf die lange Bank geschoben werden!“
Ambulante Pflegedienste, die bei Wind und Wetter und mit teils sehr weiten Wegen ihren Dienst an pflegebedürftigen Menschen versehen, verdienten höchsten Respekt. „Sie sind es, die dafür sorgen, dass Menschen so lange wie möglich zuhause wohnen bleiben können und der Grundsatz ambulant vor stationär mit Leben erfüllt wird. Ihnen endlich die Wegezeiten zu bezahlen, ist überfällig!“, sagt Bauer.
Als ausgesprochen positiv wertet der Diakonie-Chef, dass das Gesetz ab 2019 die Ausbildungsvergütungen in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege und der Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr durch die Kassen refinanziert. „Das könnte sich günstig auf die Bereitschaft zur Ausbildung auswirken“, hofft Bauer.
Verbessern will das Gesetz auch die Versorgung von Menschen in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit ärztlichen Leistungen. So sollen dem Abschluss von Kooperationsverträgen mit niedergelassenen Ärzten mehr Nachdruck verliehen werden. Auch der Ausbau von Videosprechstunden könne den Zugang zu ärztlicher Betreuung vereinfachen. Ein weiterer wichtiger Pluspunkt für die Versicherten ist die teilweise Entbürokratisierung von Krankenfahrten in die Haus- oder Facharztpraxis als Kassenleistung. „Die Fahrt zum Arzt muss nun bei besonders verletzlichen Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung nicht jedes Mal gesondert von der Krankenkasse genehmigt werden!“