19.09.2018

Damit Integration gelingt

„Die Überlastung der Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste hat jedes vernünftige Maß überschritten. Wenn wir wollen, dass sich Zugewanderte schnell integrieren, brauchen sie in der ersten Zeit intensive Unterstützung und Begleitung. Das gilt gleichermaßen für Zugewanderte, die als Schutzsuchende oder als Fachkräfte zu uns kommen. Die Migrationsberatung leistet diese Aufgabe im gesamtgesellschaftlichen Interesse, ist aber seit Jahren in einem Zustand chronischer Überforderung.“

Dietrich Bauer, Chef der Diakonie Sachsen, appelliert anlässlich des morgen stattfindenden bundesweiten Aktionstages der Migrationsberatungsstellen an die politisch Verantwortlichen – in diesem Fall Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete – in den derzeit anstehenden Haushaltsverhandlungen die bislang angesetzten Mittel deutlich aufzustocken.

„Wenn ein einzelner Mitarbeitender zeitweise für mehr als 500 Klienten und ihre Familien zuständig ist, die alle einen komplexen Beratungsaufwand erfordern, ist das ein unhaltbarer Zustand. Schon 2017 wurden durchschnittlich 371 Fälle pro Vollzeitstelle bearbeitet – 150 dürften es höchstens sein, um eine nachhaltig gute Beratungsqualität zu sichern. Ratsuchende müssen oftmals lange Wartezeiten in Kauf nehmen – wertvolle Zeit, die ungenutzt verstreicht und ihnen als mangelnder Integrationswille zum Vorwurf gemacht wird! Es ist ein Irrtum zu meinen, weil in diesem Jahr die Flüchtlingszahlen stark rückgängig waren, hätten die Migrationsberatungsdienste auch weniger zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Gestiegene Anerkennungen, Wohnsitzauflage und Zuzug aus der EU sorgen für einen enormen Anstieg.“

Bei den Beratungsgesprächen geht es um die Vermittlung in Integrationskurse, Schreiben an Behörden oder Telefonate mit Dienststellen, Spracherwerb, Anerkennung von ausländischen Berufs- oder Studienabschlüssen, Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, Kindergarten- und Schulplätze, Ausbildung und vieles mehr. Mindestens 65 Kooperationspartner haben Migrationsberatungsdienste im Durchschnitt, die sie dabei unterstützen.

„Für uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst ist die Situation extrem belastend. Wir müssen unsere Tür zuschließen und draußen steht noch eine Schlange von Ratsuchenden. Das ist auf die Dauer unerträglich und sorgt für viel Frust auf beiden Seiten“, sagt Annegret Krellner von der Migrationsberatungstelle des Ökumenischen Informationszentrums in Dresden. Zudem könnten die Beratungen nicht mehr im erforderlichen Umfang stattfinden.

Nur mit einer deutlichen Aufstockung des Personals sind die Beratungsdienste in der Lage, der im Koalitionsvertrag formulierten Herausforderung „teilhabeorientierte Gesellschaftspolitik für alle Menschen“ gerecht zu werden. In diesem Kontext bittet Bauer die sächsischen Bundestagsabgeordneten die Migrationsdienste zu stärken und sich für eine bedarfsgerechte Erhöhung der jeweiligen Haushaltstitel für 2019 einzusetzen. „Eine Investition in die Migrationsdienste ist eine Investition in die Zukunft vieler junger Menschen und in die Zukunft Deutschlands! Wir können viele Beispiel gelungener Integration aus unseren Beratungsdiensten erzählen. Beispiele, die aber ohne eine intensive Unterstützung und Begleitung nicht möglich gewesen wären.“

Die Diakonie Deutschland hält für eine vorläufig angemessene Entlastung der Beratungsstellen eine Aufstockung der Mittel um ca. 19 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2019 auf insgesamt 70 Millionen Euro für notwendig.

Hintergrund: Zum Stichtag 31.12.2017 befanden sich insgesamt 195 227 Ausländer in Sachsen. Das sind im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (21 %) in Sachsen ca. 6 %. Davon waren 41 % Frauen und 59 % Männer. Die am stärksten vertretene Altersgruppe ist mit 53 467 Personen die der 25 bis 35-jährigen. Das entspricht einem Anteil von 27 %. Der Anteil der unter 18-jährigen ausländischen Personen in Sachsen beläuft sich auf 18 %.

EU-Bürger sind mit knapp 30 % die größte Bevölkerungsgruppe, gefolgt mit knapp 15 % von Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen besitzen. Darunter fallen auch 24 872 Asylbewerber – das entspricht einem Anteil von 13 % der Ausländer in Sachsen. (Quelle: Kennzahlenbericht SMGI Sachsen)

7 Jugendmigrationsdienste (JMD) in diakonischer Trägerschaft haben mit insgesamt 10,147 Vollzeitstellen im Jahr 2017 3007 Klienten beraten. Jugendmigrationsdienste begleiten junge Menschen zwischen dem 12. und 27. Lebensjahr in ihrem schulischen und beruflichen Werdegang, ihrer sprachlichen und sozialen Integration sowie allen Fragen, die in ihrem individuellen Integrationsprozess von Bedeutung sind. Es zeichnen sich bereits jetzt für das Jahr 2018 erhebliche Fallzahlensteigerungen ab.

5 Migrationsberatungsstellen für Erwachsene (MBE) mit insgesamt 6,28 Vollzeitstellen haben im Jahr 2017 4592 Klienten betreut. Auch hier werden die Fallzahlen im Jahr 2018 erheblich höher liegen.

In fast allen Migrationsberatungsstellen sind auch Mitarbeitende mit Migrationshintergrund tätig. In der Beratungsarbeit ist der Einsatz von Muttersprachlern von großem Vorteil. Die Arbeit der JMD/MBE wird vor Ort von ehrenamtlichen Mitarbeitenden, in der Regel für Sprachmittler- und Dolmetscherdienste, unterstützt.